Tags darauf noch 15 sm bis zur Schleuse in Brunsbüttel und dann ist Schluss mit Tidenstrom, weglaufendem Wasser und der ewigen Suche nach Tiefe. Ab jetzt sollte Tiefgang kein Problem mehr sein, eine auch in geistiger Hinsicht erfreuliche Aussicht. Obwohl – 100 km Nordostsee-Kanal … das könnten bei ca. 5 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit (1 Knoten = 1,8 km) sehr lange und stumpfsinnige Stunden mit einem zweitaktigen Knattermotor werden, zumal auch die Uferbepflanzung wenig Abwechselung zu bieten hat (naja, eigentlich gar keine). Zum Glück übernimmt Steuerknecht Erwin nun wieder das Ruder und ich kann die Zeit mit unnützem Zeugs verbringen, z. B. für die Gäste der passierenden Kreuzfahrtschiffe posieren, als rauher Seebär auf putzigem kleinen Schiffchen.
Und dann, nach 100 km Knattermotor (mit Zwischenstopp in Rendsburg) und einigen Stunden ernsthafter Sorge, dass der Sprit nicht reicht – welch‘ eine Romantik, was für eine Symbolik! Hinter der Schleuse in Kiel-Holtenau, also in der Ostsee, am Etappenziel, da, wo alles gut sein wird – ein fetter Regenbogen.
Der enorme Platzregen, der dem Regenbogen vorausging, verdünnte die symbolische Atmosphäre mit etwas Realismus, sozusagen.
So schön der Regenbogen auch anzusehen war, seine Verheißung erfüllte sich zunächst nicht. Eine Stunde mussten wir auf die Schleusung warten. Schon lange hatte die Bundesligaschlusskonferenz ihr Ende gefunden, das Abendspiel des Samstags lag in den letzten Zügen. Die Situation wurde etwas erlebnisärmer. Der Regenbogen hatte der Dämmerung und einem feinen, aber treuen Nieselregen Platz gemacht. Als Blue Peach aus der Schleusenkammer in die Kieler Förde einlief, war es nasskaltdunkel. Der Yachthafen, den wir ansteuerten, war 1936 für Hitlers Olympiade gebaut worden und hieß Düsternbrook. (Man beachte die Verfinsterung auch auf symbolischer Ebene). Von den grob gerechnet 400 Booten, die in diesem Riesenhafen lagen, waren an diesem Samstagabend bewohnt: Blue Peach und irgendwo am anderen Ende des Hafens vermutlich noch ein weiteres. Meine Schiffsratte sprach schließlich aus, was wir beide dachten: „Ach, wie schön wäre es doch, jetzt in einem dieser kleinen, geselligen Schlickhäfen auf einer kleinen ostfriesischen Insel zu liegen, wo von 40 Booten 42 bewohnt sind.“ … mit Mathematik hatte meine Schiffsratte noch nie viel im Sinn, aber sie hat das Herz am rechten Fleck.